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Sympathisch, seriös, engagiert oder lässig-cool – die Stimmen in Marketingvideos müssen innerhalb weniger Sekunden Emotionen wecken, Zuschauer überzeugen und langfristig in Erinnerung bleiben. Aber wie entsteht eigentlich eine richtig gute Sprachspur? Und wer sind die Menschen hinter den prägnanten Stimmen? In diesem Artikel lüften wir ein paar dieser Geheimnisse und begleiten einen professionellen Sprecher bei seiner Aufnahme in unserem Recording-Studio.
Die Vorbereitung
Bevor ein Sprecher mit der Aufnahme beginnen kann, ist bereits einiges passiert: Zunächst hat er (oder sie) sich in einem Casting erfolgreich gegen andere professionelle Sprecher durchgesetzt und wurde vom Kunden als Idealbesetzung für sein aktuelles Projekt ausgewählt.
Bei der heutigen Aufnahme, einer japanischen Vertonung eines 2-minütigen Marketingvideos, hat unser langjähriger Sprecher Akira das Rennen gemacht. Mit ihm haben wir vor ein paar Tagen den heutigen Aufnahmetermin vereinbart und das Budget geklärt. Er hat von uns bereits das japanische Skript mit Aussprachehinweisen erhalten, ebenso wie das englische Ausgangsvideo, damit er sich optimal auf die Aufnahme vorbereiten kann.
Die Aufnahme im Recording-Studio
In der Regel erscheinen unsere Sprecher 10 bis 15 Minuten vor dem geplanten Aufnahmetermin im Studio. So können sie in Ruhe ankommen, Skript und Notizen sortieren, noch einen Schluck trinken (sehr beliebt: Stilles Wasser, eher unpopulär: Kaffee) und sich gedanklich und stimmlich auf die Aufnahme vorbereiten. Oder auch einfach ein bisschen mit uns über ihre spannenden Projekte plaudern.
Neben Akira sind bei der Aufnahme zugegen: unser Toningenieur, der die Aufnahme leitet, sowie der betreuende Projektmanager und ggf. ein Vertreter des Kunden (in besonderen Fällen außerdem noch ein muttersprachlicher Language Director). Vor der Aufnahme werden alle Fragen zum Skript und zur Aussprache bestimmter Produktnamen und Fremdwörter geklärt sowie die genauen Wünsche des Kunden bezüglich Sprechweise, Tonfall und Tempo besprochen.
Nach dem kurzen Briefing wird das zu vertonende Video noch einmal angespielt, damit Akira sich richtig „einschwingen“ kann. Dann verschwindet er in der „Black Box“, unserer Tonkabine. Dort führt der Toningenieur einen Sound-Check mit ihm durch und überprüft alle Geräte- und Softwareeinstellungen. Da die Tonkabine vollkommen schallisoliert ist, ist es wichtig, dass sich Akira und der Aufnahmeleiter nicht nur über ihre Kopfhörer einwandfrei hören, sondern auch durch ein Sichtfenster immer im Blick haben.
Neben dem kopfhörertragenden Akira befinden sich in der Kabine außerdem: ein professionelles Studiomikrofon, ein Sprecherpult zur Ablage des Skripts, eine künstliche Lichtquelle und ein Monitor, auf dem er das dazugehörige Video mitverfolgen kann.
Nun kann es losgehen! Akira hört über seine Kopfhörer leise den Originalton des englischen Videos und spricht das japanische Skript so ein, dass die Übersetzung zeitlich und klanglich perfekt passt. Wie er das macht, zählt zur großen Kunst des professionellen Sprechens und wird uns Uneingeweihten wohl immer ein Rätsel bleiben. Jedenfalls trifft er beim Sprechen stets den richtigen Ton und hält sich ans vorgegebene Timing.
Eventuelle Versprecher, Fehler oder Störungen durch Nebengeräusche (z. B. das Umblättern der Seiten) werden umgehend korrigiert, sodass am Ende eine vollständige Gesamtspur entsteht.
Diese wird dann noch einmal sorgfältig durchgehört (Passt das Timing? Ist die Aussprache korrekt und deutlich? Wie ist die Soundqualität? Entspricht der Tonfall den Wünschen des Kunden?). Ist alles in Ordnung, ist Akiras Arbeit getan. Nun bleibt ihm nur noch, seine Rechnung zu schreiben und darauf zu warten, eines Tages das fertige Endprodukt zu Gesicht (oder zu Gehör) zu bekommen.
Ganz anders sieht es für den Toningenieur aus: Sobald Akira fertig ist, legt er seine Hand an. Die Sprachspur wird professionell nachbearbeitet, gemastert, gecleant und geschnitten (Föhnen und Legen kosten übrigens extra). Je nach Anforderung wird die Aufnahme dann als reine Audiospur (in der Regel wav oder mp3) geliefert oder unter das dazugehörige Videomaterial getimt, im gewünschten Format ausgespielt (z. B. mov, mp4 oder wmv) und schließlich zur Abnahme an den Kunden geschickt.
Erst wenn wir das finale OK des Kunden haben, gilt das Audioprojekt als abgeschlossen.
[Fazit: In der Multimedia-Abteilung rauchen wochenlang die Köpfe, tippen die Finger, drucken die Drucker, schwingen die Stimmbänder und brummen geduldig die Rechner, damit am Ende eine kleine, feine Audiospur entsteht; keine zwei Minuten lang. Aber sie berührt. Und sie bleibt hängen.]
Der Sprecher
Hallo Akira, wie geht es Dir nach der Aufnahme?
Sehr gut, danke.
Wie lange arbeitest Du schon als Sprecher?
Ich habe 2007 angefangen.
Wie bist Du dazu gekommen?
Ein Freund von mir hat mich damals zu einer Audition mitgenommen und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Als Sprecher zu arbeiten hat mir von Anfang an viel Spaß gemacht. Obwohl mich der Gedanke, dass meine Stimme von Tausenden von Menschen gehört wird und ich keinen Einfluss auf die Ausstrahlung habe, anfangs schon eingeschüchtert hat. Aber inzwischen macht mir das nicht mehr so viel aus.
Was gefällt Dir an Deinem Job?
Als freiberuflicher Sprecher hat man sehr viel Freiheit. Die meisten Aufnahmen sind recht kurz, das gefällt mir, so hat man viel Abwechslung. Außerdem kommt man als Sprecher viel herum, besucht verschiedene Studios und Unternehmen und arbeitet an interessanten Projekten mit. Und natürlich schadet es auch nicht, dass man oft positives Feedback bekommt und für seine Arbeit und Stimme gelobt wird.
Was mögen Menschen an Deiner Stimme?
Ich bekomme ziemlich viele Aufträge für eLearning-Projekte. Ich bin Japaner und habe angeblich eine ungewöhnlich tiefe, aber freundliche und warme Stimme. Offenbar finden meine Kunden, dass sich meine Stimme sehr gut für Schulungsinhalte eignet. Sie ist sozusagen pädagogisch besonders wertvoll.
Die Projektmanagerin
Hallo Miriam, was wurde heute aufgenommen?
Heute haben wir ein Marketingvideo eines internationalen IT-Unternehmens in mehreren Sprachen aufgenommen, unter anderem in Japanisch. Gerade eben lief die Aufnahme mit Akira, die ihr begleitet habt.
Gab es besondere sprachliche Anforderungen oder Wünsche vonseiten des Kunden?
Ja, der Kunde verwendet in seiner Marketingkommunikation einen ganz bestimmten Tonfall, den sollte Akira natürlich so genau wie möglich treffen. Außerdem sollte er sympathisch, ehrlich und souverän rüberkommen. Abgesehen davon gab es wie so oft einige enge Zeitbeschränkungen, unser Sprecher musste sich also ganz schön ranhalten beim Sprechen.
Wie viel musst Du als Projektmanagerin schon vorbereitet haben, bevor der Sprecher kommt?
Als Projektmanager stehen wir von Anfang an mit dem Kunden in Kontakt. Wir besprechen den genauen Lokalisierungs-/Vertonungsumfang, beraten bei der Art der Aufnahme (z. B. Voice-Over oder Synchronisation) und stellen eine Auswahl geeigneter Sprecher zusammen. Außerdem koordinieren wir ggf. die Skriptübersetzung und machen eine Längenprüfung, um sicherzustellen, dass die Übersetzung zeitlich passt.
Hat der Kunde sich für einen Sprecher entschieden und steht das finale Skript, machen wir einen Termin für die Aufnahme aus, schicken dem Sprecher das Skript, eventuelle Aussprachehinweise und das dazugehörige Videomaterial. Und wir organisieren, wenn gewünscht, die Teilnahme des Kunden an der Aufnahme. Bevor der Sprecher zu uns ins Studio kommt, haben wir als Manager also schon ganz schön rotiert!
Was muss nach der Aufnahme noch gemacht werden?
Nach der Aufnahme wird das Skript nochmal komplett durchgehört. Dann wird die Sprachspur vom Toningenieur nachbearbeitet und ggf. unter das dazugehörige Video gelegt. Wenn alles passt, schicken wir das Audio-/Videomaterial zur finalen Abnahme an den Kunden. Und dann wird gefeiert!