Viele Unternehmen unterschätzen, wie wichtig es ist, in all ihren Botschaften, in der Corporate Identity und im Produktangebot selbst einen einheitlichen Sprachgebrauch zu pflegen. Bei globalen Unternehmen oder solchen, die es werden wollen, ist die Tragweite dieser Fehleinschätzung besonders groß. Wer sprachliches und kulturelles Neuland betritt, muss das fremde Publikum vorausschauend und mit einer klaren Sprache gewinnen. Ohne solide terminologische Grundlage ist das unmöglich.
Sprachliche Inkonsistenz führt in ihrer harmlosesten Form einfach nur zu einem Schmunzeln oder zu hochgezogenen Augenbrauen. Kunden oder Interessenten stolpern über widersprüchliche, schlecht geschriebene oder ungewollt komische Texte. Schon eine leichte Verwirrung beim Leser schadet aber der Glaubwürdigkeit. Indirekt wird damit mitgeteilt, dass das Unternehmen die Kunden oder den Markt nicht besonders schätzt. Ein solcher Eindruck muss nicht zwingend geschäftsschädigend sein. Er kann das Unternehmen jedoch in die Defensive drängen, wenn das Vertrauen der Kunden mühsam wieder zurückgewonnen werden muss. Meist wird das dann mit teuren Telefonaktionen der Kundenbetreuung, überarbeiteten Übersetzungen und anderen Nachbesserungen im Kundendialog versucht.
Kann es sich Ihr Unternehmen leisten, dass Kommunikation am Ziel vorbeigeht oder überhaupt nicht funktioniert?
Die Risiken durch eine unklare oder uneinheitliche Sprache lassen sich durch fünf bewährte Schritte eingrenzen. Der damit verbundene Aufwand lohnt sich, denn Sie senken dadurch die Kosten für die Kundenbetreuung und Schadensbegrenzung – von den Gesamtkosten für die Übersetzung ganz zu schweigen. In den nächsten Abschnitten werden diese fünf Schritte im Einzelnen erläutert.
Schritt 1: Den Anfang machen
Für eine einheitliche Sprache brauchen Sie ein gemeinsames Vokabular, eine Terminologie. Terminologieinitiativen kommen jedoch oft nicht in Gang, weil es auf Unternehmensebene keinen Plan dafür gibt. Aber ein bescheidener Anfang ist besser als gar keiner.
Ein Weg besteht darin, im Unternehmen einen Sponsor für das Vorhaben zu suchen. Eine solche Person wird zum leidenschaftlichen Mitstreiter, wenn sie erst einmal von den langfristigen betriebswirtschaftlichen Vorteilen überzeugt ist. Auf Führungsebene kann dieser Sponsor helfen, Steine aus dem Weg zu räumen, indem er unter den Entscheidungsträgern als Fürsprecher fungiert und Einfluss nimmt. Dies wird dann in allen Unternehmensbereichen wahrgenommen.
Der für die Umsetzung verantwortliche Mitarbeiter sollte damit anfangen, sich die „Benutzerschnittstelle“ des Produkts anzusehen. Mit dem Begriff der Benutzerschnittstelle verbindet man oft Software, er lässt sich jedoch durchaus auf Produkte aller Art anwenden. Selbst eine einfache Bratpfanne hat eine Benutzerschnittstelle – aber heißt diese nun „Griff“ oder „Henkel“? Und hat die Pfanne eine „Anti-Haft-Beschichtung“ oder eine mit „Lotuseffekt“? Die Schnittstelle zwischen Produkt und Verbraucher ist das terminologische Herzstück des Produkts. Sie sollte darum genauso im Fokus stehen wie das Produkt selbst.
In dieser Phase ist das Medium zum Erfassen der Terminologie zunächst von untergeordneter Bedeutung. Obwohl Excel auf keinen Fall als Werkzeug für sprachliche Zwecke betrachtet werden sollte, wird es oft fälschlicherweise für Übersetzungsaufgaben verwendet. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen in dieser Entwicklungsphase dazu bereit ist, in branchenübliche Terminologiemanagement-Software zu investieren. Für den Moment reicht also Excel oder eine ähnliche Tabelle aus. Tabellenanwendungen sind überall präsent, und Listen in diesem Format lassen sich bequem zusammenstellen, verteilen, alphabetisch ordnen, bearbeiten und kommentieren.
Schritt 2: Sammeln
Wenn der Anfang gemacht ist und erste Daten erfasst sind, gewinnt die Arbeit des Terminologen an Fahrt. Jetzt ist es Zeit, den Datenbestand zu erweitern und dafür mit verschiedenen an der Produktentwicklung beteiligten Personen zu sprechen. Dazu gehören Produktmanager, Entwickler, Fachleute in der Produktdokumentation, Marketingmanager und – je nach Produkt – die Geschäftsleitung, die Rechtsabteilung oder die mit der behördlichen Zulassung befassten Abteilungen.
Darüber hinaus sollten Sie noch andere Quellen für Ihre Terminologie berücksichtigen. Mitunter hat sich z. B. unter den Verbrauchern eine bestimmte Bezeichnung praktisch als Terminus etabliert, weil andere Unternehmen durch ihre Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen haben. Es ist also sinnvoll, sich die Terminologie der Wettbewerber im Hinblick auf deren Angemessenheit, Verbreitung und Verfügbarkeit anzusehen. Auch Fachzeitschriften und andere Branchenpublikationen sind eine hervorragende Terminologiequelle, ebenso Onlineglossare und öffentlich zugängliche Übersetzungsdatenbanken. Und natürlich können Sie auch in der bestehenden Produktdokumentation Terminologie sammeln. Liegt die Dokumentation in elektronischer Form vor, können Softwaretools die für den Terminologiebestand infrage kommenden Bezeichnungen automatisch extrahieren. Ein solches Term Harvesting ist schnell und effizient, geht aber mit Softwarekosten einher, die in dieser Phase der terminologischen Entwicklung unerschwinglich sein können. Unter Umständen hilft hier ein Sprachdienstleister, der die Terminologieextraktion als Leistung anbietet.“
Schritt 3: Evaluieren, diskutieren, freigeben
Der Terminologe sollte nun über ein stattliches Repertoire an Terminologiekandidaten verfügen. Mit Sicherheit kommen an dieser Stelle aber auch Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit den Beteiligten auf ihn zu. Die Konsensfindung wird jetzt und in Zukunft unerlässlich sein. Sie ist extrem wichtig, weil Terminologie einen enormen Einfluss auf die Kundenerfahrung, die Corporate Identity und das Branding hat. Außerdem lässt sich mit einer intelligent verwalteten und vermarkteten Terminologie eine Marke oder ein Konzept unter Umständen so erfolgreich bewerben, dass die betreffende Produktkategorie mit der Sprache des Unternehmens verschmilzt.
Aber nicht alle von der Produktentwicklung erfundenen Bezeichnungen lassen sich gut vermarkten, und nicht alle vom Marketing kreierten Benennungen sind technisch korrekt. Das wird dem Terminologen auffallen, wenn er die Listen zusammenstellt. Er kann auch derjenige sein, der merkt, dass sein Unternehmen für ein und denselben Begriff gleich mehrere Synonyme oder marginal unterschiedliche Benennungen verwendet. Die Harmonisierung derartiger Benennungen und ihrer Verwendung ist eine Chance, die Botschaft klarer zu formulieren. Als angenehmer Nebeneffekt wird auch die Übersetzung kostengünstiger.
Bei der Konsensfindung sollte der Terminologe alle Beteiligten mit ins Boot holen. Auch hier zeigt sich wieder, wie wichtig ein Sponsor auf Führungsebene ist, besonders im Streitfall. Der Sponsor kann sicherstellen, dass die Benennungen und deren Verwendung mit den übergeordneten Unternehmensstrategien und ‑zielen abgestimmt werden. Dem sensibilisierten Sponsor werden auch selbst terminologische Unklarheiten auffallen. Er kann sie dann einfach an die Strategieentwicklung weiterleiten, damit dort in puncto Branding und Kommunikation klug entschieden wird.
Bei Bedarf kann der Terminologe auch die Meinung von befreundeten Kunden oder Großabnehmern einholen. Dies ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, Feedback aus dem echten Leben zu erhalten und dabei die Beziehung zwischen Anbieter und Kunden zu vertiefen. Auch eine Befragung der Mitarbeiter des technischen Supports kann versteckte Terminologieprobleme ans Licht bringen, denn im Kundenservice sind die Kollegen jeden Tag mit den Erfahrungen und der Sprache der Kunden konfrontiert.
Am Ende dieses Schritts steht eine Liste mit genehmigten und eine mit veralteten oder unzulässigen Benennungen. Nun sollte der Terminologe die Verteilung organisieren, damit alle Beteiligten auf die Liste zugreifen können. Dies kann auf ganz einfachem Wege per E-Mail mit Anhang erfolgen oder mit einer Website im Intranet. Auch neue Mitarbeiter sollten im Rahmen ihrer Einarbeitung auf die Terminologieinitiative aufmerksam gemacht werden.
Schritt 4: Übersetzen und testen
In weniger erfahrenen Unternehmen meint man vielleicht, dass die vorausschauende Übersetzung von Terminologie unnützes Geld kostet, doch das stimmt nicht. Auch ist leider die Ansicht verbreitet, dass eigene Mitarbeiter solche Aufgaben leicht übernehmen können. Der Buchhalter Mario mag italienischer Muttersprachler sein, aber wenn er kein qualifizierter Sprachexperte ist, dann eignet er sich höchstwahrscheinlich eher schlecht als recht für die Übersetzung und Pflege italienischer Terminologie. Die Ausbildung zum Übersetzer dauert nicht umsonst viele Jahre. Richtiges Übersetzen ist harte Arbeit, und die Voraussetzungen dafür sind Qualifikation und ein stetiger Kontakt mit der Zielsprache, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Sprecher von Altgriechisch oder Latein kommen im Kundenkreis heute eher selten vor. Moderne lebende Sprachen sind, wie der Name schon sagt, lebendig. Das heißt, sie verändern, erweitern und vermischen sich sukzessive. Qualifizierte Sprachprofis, vor allem jene, die im Land der Sprache leben, kennen die neuesten Ausdrücke und Entwicklungen im Bereich der angewandten Grammatik und Rechtschreibung.
Am besten fahren Unternehmen, wenn sie in Übersetzungen investieren, die von qualifizierten, im jeweiligen Land lebenden und mit dem Fachgebiet vertrauten Muttersprachlern angefertigt werden. Die meisten Übersetzungsdienstleister bieten Leistungen im Bereich Terminologiemanagement an. Services dieser Art sollten jedoch im Rahmen eines bestimmten Projekts oder Vertrags gesondert vereinbart werden.
Die erfolgreiche Übersetzung von Terminologielisten ist jedoch nur ein Teil dieses Prozesses. Das beauftragende Unternehmen kann und sollte anschließend noch Beteiligte einbinden, die direkt vor Ort mit den landesspezifischen Gepflogenheiten vertraut sind, z. B. Vertriebsmitarbeiter, Benutzergruppen oder befreundete Kunden. Es kann nämlich vorkommen, dass diejenigen, die das betreffende Produkt in der Praxis nutzen, nicht die akademisch korrekten Sprachregelungen nutzen, sondern eine eigene Fachsprache entwickelt haben. Und mitunter wird ein Terminus in seiner unübersetzten Variante für besser befunden und setzt sich deshalb am Ende durch.
Viele Sprachdienstleister empfehlen ihren Kunden, zu Beginn eines Lokalisierungsprojekts eine solide terminologische Grundlage zu schaffen. Einige von ihnen bieten ihren Kunden darüber hinaus auch ein Terminologiemanagement als projektbegleitende Leistung an.
Schritt 5: Verwalten und verteilen
Manche Unternehmen verwalten ihre Terminologie lieber intern mit ihrer eigenen Infrastruktur, anstatt diese Aufgabe – komplett oder oft auch ergänzend – an einen Dienstleister auszulagern. In diesem Fall muss in ein eigenes Terminologiemanagement-System investiert werden. Anbieter von Übersetzungswerkzeugen haben hierfür einige exzellente Produkte auf den Markt gebracht. Allerdings ist diese Investition nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen intern über die nötigen Kenntnisse zur Verwaltung sprachlicher Inhalte verfügt und willens ist, diese Aufgabe zu finanzieren und ausdauernd zu verfolgen.
Die besten Terminologiemanagement-Systeme bieten gestaffelte Möglichkeiten des Benutzerzugriffs und unterstützen die Einbindung unterschiedlicher Medien wie Grafiken, Bilder, Videos, Audiodateien und anderen Referenzmaterials. Dass die Informationen in vielen Formaten und nach vielen Kategorien aufbereitet werden können, scheint zunächst ein Pluspunkt zu sein. Im selben Atemzug warnen Branchenexperten jedoch und geben den Terminologiesystemverantwortlichen zu bedenken, dass komplexe, datenreiche Informationsstrukturen im Laufe der Zeit auch entsprechend verwaltet werden müssen. Je komplexer ein System wird, umso höher wird auch der dafür nötige Aufwand. Es gilt, zwischen der großen Auswahl an Möglichkeiten und dem tatsächlichen Bedarf seitens der Beteiligten eher pragmatisch abzuwägen.
Mit einer Stimme sprechen: Fazit
Aus einem gründlichen und strukturierten Terminologiemanagement können sich zahlreiche Vorteile ergeben. So ist es möglich, die Corporate Identity und das Branding zu festigen, die Kundenzufriedenheit und -bindung zu stärken, die Supportkosten zu verringern und Übersetzungsarbeiten kostengünstiger zu gestalten. Ein Terminologiemanagement lässt sich in fünf Schritten etablieren. Diese werden mit jedem Schritt anspruchsvoller, am wichtigsten ist jedoch der eigentliche Anfang. Mit einem guten Anfang ergibt sich bei entsprechender Beharrlichkeit, Hilfe und Beratung auch der Rest. Erhalten können Sie diese Beratung bei Ihrem Sprachdienstleister.
DER AUTOR
Richard Sikes beschäftigt sich seit 25 Jahren intensiv mit Fragen der technischen Übersetzung und der Lokalisierung. Er war in verschiedenen branchenführenden Softwareunternehmen verantwortlich für das Management von Lokalisierungsteams und schreibt regelmäßig für das Fachmagazin MultiLingual. Er hat an der University of California, der Fachhochschule Heidelberg und der Rotman School of Management der University of Toronto studiert und dabei die akademischen Abschlüsse Bachelor of Fine Arts, Diplom-Betriebswirt (FH) und Master of Business Administration erworben.