ABAP-basierte Texte mit dem SAP Translation Hub übersetzen

Im Dezember 2016 stellte SAP den SAP Translation Hub der interessierten Öffentlichkeit vor. Das Tool verspricht, den SAP-Übersetzungsprozess zu revolutionieren, und eines lässt sich zumindest schon jetzt sagen: Der SAP Translation Hub hilft, die Kosten für große SAP-Übersetzungen signifikant zu senken.

SAP Translation Hub in aller Kürze

Eigentlich ist die Idee simpel: SAP stellt seinen Kunden bereits vorhandene Übersetzungen bestehender SAP-Produkte zur Wiederverwendung für die Entwicklung und Übersetzung zur Verfügung. Zu diesem Zweck bietet der SAP Translation Hub REST-Services an, die verwendet werden können, um beispielsweise

  • Texte über eine Auto-Complete-Funktion während der Entwicklung auf der SAP HANA Cloud-Plattform vorzuschlagen oder
  • Benutzeroberflächentexte aus dem Englischen in 45 Zielsprachen und Sprachvarianten vorzuübersetzen

Der zweite Anwendungsfall ist besonders interessant, da damit eigenentwickelte ABAP-basierte Benutzeroberflächen, also sogenannte SAP-Kurztexte, übersetzt werden können. Um dieses Szenario soll es im Folgenden gehen.

Das multilinguale Text-Repository

Der Container, der die von SAP über die Jahre erstellten Übersetzungen enthält, nennt sich Multilinguales Text-Repository (MLTR) und enthält eine gigantische Textmenge. Das kann niemanden verwundern – galt doch SAP lange Zeit als der Softwarekonzern, der die größte Menge an übersetzbaren Benutzeroberflächentexten produzierte. Jedem Textpaar im MLTR ist zu jeder der aktuell 45 unterstützten Zielsprachen und Sprachvarianten (Stand Februar 2017) ein Qualitätsindex zugewiesen, der auf der Benutzeroberfläche des Hub sichtbar ist. Dieser Index soll helfen, die Passgenauigkeit einer Übersetzung zu einem eingegebenen Text einzuschätzen. Derzeit wird nur Englisch als Quellsprache unterstützt, aber sowohl das MLTR als auch der Translation Hub werden aktiv weiterentwickelt, sodass zu hoffen ist, dass hier weitere folgen werden.

Der Qualitätsindex von SAP Translation Hub ist ein guter Anhaltspunkt.

Auch wenn der Qualitätsindex sicher nicht in allen Fällen korrekt ist, so kann er doch ein guter Anhaltspunkt dafür sein, wie gut eine Übersetzung zu einem Quelltext passt.

 

Hilfe von der Maschine

Optional zieht der SAP Translation Hub nicht nur Übersetzungsvorschläge aus dem MLTR heran, sondern kann, wenn es keinen Treffer findet, auch maschinelle Übersetzungen als Ergebnis vorschlagen. Die Nutzung dieser Funktionalität ist allerdings in den meisten Fällen derzeit nicht zu empfehlen. Maschinelle Übersetzung von Benutzeroberflächen ist bisher ein ungelöstes Problem – wer einmal Google Translate für die Übersetzung seiner Benutzeroberflächentexte ausprobiert hat, den wird das nicht überraschen.

Wie gut kann Google Translate mit zweideutigen Texten umgehen?

ABAP oder nicht – das ist die Frage

Ursprünglich war der SAP Translation Hub in erster Linie für die Nutzung bei Entwicklungen auf der SAP HANA Cloud-Plattform (HCP) gedacht. Nachdem SAP die erste Beta-Version für seine Kunden bereitgestellt hatte, wurde jedoch schnell klar, dass das wichtigere Einsatzgebiet des Translation Hub woanders lag: in der Übersetzung – oder genauer – der Vorübersetzung von Texten, die als Teil von Kundenentwicklungen in ABAP-basierten SAP-Systemen angelegt wurden. Seither hat SAP den Translation Hub dahingehend erweitert, dass nun auch ABAP-Texte unterstützt werden. Und soweit ich es einschätzen kann, handelt es sich dabei in der SAP-Übersetzung um den größten Wurf seit der Einführung von Unicode in SAP-Systemen.

Datei-Upload oder „Push-to-SAP“

Zunächst einmal wäre da die Funktion zum Datei-Upload, mit der man individuelle, aus einem SAP-System exportierte Dateien im XLIFF-Format hochladen und dafür Übersetzungsvorschläge aus dem SAP Translation Hub abrufen kann (Details siehe hier). Anschließend kann man eine übersetzte Version der Datei herunterladen. Für die Verwendung dieser Funktion ist zwar ein gewisser manueller Aufwand erforderlich, aber der Nutzen wiegt die Mühe meist auf. Die zweite Methode, ABAP-basierte Texte zu übersetzen, ist ein Push-Verfahren. Dabei werden Übersetzungen vom Hub per RFC in sprachabhängige Objekte wie Textelemente, Datenelemente oder Tabellen übertragen, die im SAP-System in einer Objektliste registriert sind. Beide Funktionen basieren auf der SAP HANA Cloud-Plattform, daher steuern Sie sie nicht aus Ihrem SAP-System heraus, sondern sie werden vom SAP Translation Hub aus gestartet.

Benutzeroberfläche beim Upload in SAP Translation Hub

Benutzeroberfläche beim Upload in den SAP Translation Hub.

Grenzen der aktuellen Funktionalität

Beide Funktionen haben derzeit noch einige Schwachstellen, die in der näheren Zukunft behoben werden sollten. Bei beiden können etwa Fehler auftreten, wenn die eingegebene Textmenge zu groß ist. Zudem gibt es bislang keine Filterfunktion, mit der eine Mindestanforderung beim Qualitätsindex für die Texte aus dem MLTR festgelegt werden könnte. Dies ist insbesondere im „Push to ABAP“-Szenario ein Problem, weil man im Normalfall Texte von unbekannter Qualität in das SAP-System lädt – ohne eine Möglichkeit, diese später bei Nichtgefallen wieder loszuwerden. Der Übersetzer in mir hat dabei so seine Bauchschmerzen: Schließlich ist mein Job nicht nur, SAP-Texte zu übersetzen, sondern auch deren größtmögliche Qualität zu gewährleisten. Auch ist bislang der Automatisierungsgrad im SAP Translation Hub noch recht niedrig, aber ich gehe davon aus, dass sich das demnächst ändern wird.

Kostenersparnis durch Vorübersetzung

Theoretisch können Sie den SAP Translation Hub auch verwenden, um Ihre SAP-Texte einfach aufs Geratewohl zu übersetzen – ohne Rücksicht auf Verluste. Qualitätssicherung sieht natürlich anders aus. Daher setzen wir den Hub auch eher als Vorübersetzungslösung ein, die Vorschläge für mögliche Übersetzungen liefert. Ein Review durch einen Linguisten, sinnvollerweise einen erfahrenen SAP-Übersetzer, sollte dann aber in jedem Fall noch folgen. Nichtsdestotrotz kann der Einsatz des Translation Hub eine große Kostenersparnis bedeuten, denn der Review und bei Bedarf die Anpassung oder Löschung der Übersetzungsvorschläge geht wesentlich schneller als die Neuübersetzung derselben Texte. Ganz ohne Übersetzer geht die Erstellung korrekt übersetzter Oberflächentexte freilich dennoch nicht vonstatten.

Der Hub vs. SAP-Sprachpakete

Vor lauter Begeisterung über dieses neue Tool übersieht manch einer vielleicht die Tatsache, dass viele der Übersetzungen, die im SAP Translation Hub abrufbar sind, schon im eigenen SAP-System vorhanden sind oder in Form von Sprachpaketen ohne weitere Kosten dorthin importiert werden können. Diese Übersetzungen können – und sollten – natürlich wiederverwendet werden, und oftmals enthalten Sprachpakete für die Texte Ihrer Eigenentwicklungen passendere Übersetzungen, als sie der Translation Hub liefern könnte – weil die Übersetzungen speziell für das SAP-Produkt angefertigt wurden, das sie einsetzen. Daher sollte die Wiederverwendung vorhandener Übersetzungen aus SAP-Sprachpaketen immer einer der grundlegenden Bausteine eines jeden SAP-Übersetzungsprojekts sein.

Sprachpakete importieren

Mit dem Import von Sprachpaketen stehen Ihnen für Ihre SAP-Eigenentwicklungen nützliche wiederverwertbare Übersetzungen zur Verfügung.

Der Hub und die automatische Verteilung

Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines Übersetzungsprojekts ist die automatische Verteilung, zu der ich mich hier bereits geäußert habe. Im Wesentlichen geht es dabei darum, die im Übersetzungsumfang mehrfach auftretenden Texte vorzuübersetzen und diese Übersetzungen im System zu verteilen. Da dieser Schritt nicht nur Kosten spart, sondern auch zu sehr guten Übersetzungsergebnissen führt, wäre es schade, sich diese Funktionalität nicht zunutze zu machen. Erst danach sollten Übersetzungen aus dem SAP Translation Hub hinzugezogen werden.

Der Rest vom Schützenfest

Der SAP Translation Hub liefert nicht für jeden Text in Ihrem System einen Treffer erhalten – es sei denn, Sie lieben das Risiko und setzen die maschinelle Übersetzungsfunktion ein. Ein beträchtlicher Teil an Texten dürfte also zur nachgeschalteten Übersetzung übrig bleiben. Das betrifft vor allem sprachabhängige Customizing-Tabellen, deren Texte häufig sehr unternehmensspezifisch sind und für die eine genaue Entsprechung im MLTR unwahrscheinlich ist. Aber auch bei den Benutzeroberflächentexten von Eigenentwicklungen wird ein gewisses Maß an übersetzerischer Nacharbeit notwendig sein. Dafür ist in den meisten Fällen immer noch die Transaktion SE63 das Tool der Wahl, denn wie von mir an anderer Stelle bereits ausgeführt, ist der Export der Übersetzungstexte nach Excel selten eine gute Idee.

Treffer im ST

Für Texte dieser Art stehen die Chancen auf Treffer im SAP Translation Hub eher schlecht.

Keine eierlegende Wollmilchsau

Der SAP Translation Hub ist ein sehr nützliches Hilfsmittel in Ihrer SAP-Übersetzungsstrategie, ein Allheilmittel ist es jedoch nicht. Weder eignet es sich als Ausgangspunkt für die Übersetzung – weil es Ihnen nicht beim Identifizieren der Texten hilft, die übersetzt werden sollten. Es erspart Ihnen auch nicht die manuelle Übersetzungsarbeit, auch wenn sich der Umfang der Neuübersetzungen damit beträchtlich reduzieren lässt. Und last but not least: Es unterstützt eine ganze Reihe von Texttypen wie F1-Hilfen oder Smartforms nicht, für die Sie daher eine separate Lösung benötigen werden. (Meine Überlegungen dazu, wie in solchen Fällen am besten vorzugehen ist, lesen Sie hier.)

SAP-Übersetzung wird günstiger

Nach meinen Tests kann ich sagen, dass der SAP Translation Hub bereit ist für den produktiven Einsatz – allerdings mit einigen Einschränkungen. Zum einen geht die Arbeit mit dem Hub aktuell noch mit einem gewissen Datenverwaltungsaufwand einher, da im Verlauf eines Projekts vielfache Up- und Downloads von Dateien erforderlich sind. Zum anderen gibt es bislang keine vollständige Integration mit ABAP-basierten SAP-Systemen – zumindest keine, mit der ich glücklich wäre. Zudem hält sich der Nutzen bei kleineren Übersetzungsprojekten noch in Grenzen. Mittelfristig wird der SAP Translation Hub aber auf jeden Fall an Bedeutung gewinnen, und für größere SAP-Übersetzungsprojekte erhält er schon jetzt eine Empfehlung. Bei angemessener Anwendung kann der SAP Translation Hub die Kosten für SAP-Übersetzungen tatsächlich deutlich senken.

 

ÜBER DEN AUTOR

Martin Lüdecke arbeitet als Director of SAP Translation bei text&form. Durch langjährige Erfahrung und kontinuierliche Weiterbildung in Zusammenarbeit mit SAP ist er in der Lage, bei jedem Projekt neueste Erkenntnisse zur Anwendung zu bringen. Seit 2013 ist er zudem zertifizierter Technology Associate – SAP Netweaver.